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ich sehe gelb

Damals am Fuße des Himalajas

Das glaub ich jetzt nicht!


Nicht zu rauchen ist eine Sache aber, dass jetzt schon mein ganzer Proviant weg ist, das geht zuweit.

45 Stück, für jeden Tag einen, für ganz schlechte Momente zwei habe ich

sorgfältig verpackt, versteckt und rein reingeschmuggelt.

Ein weiteres Detail, welches man besser beachten sollte, wenn man den Weg der Erleuchtung gehen will.


Schokolade und Ashram verträgt sich nicht!


Hier braucht man "Langfinger-Geschick“ um an so was Böses wie ein Stück Zucker zu kommen.

Wenn das was werden soll, muss die Erleuchtung mit minimalistischeren Geschützen auffahren und mir auf halbem Wege entgegenkommen!

Auf alles verzichten kann ich aber beim besten Willen nicht.

Ich muss mich entscheiden.


Zu Hause kaufte ich schachtelweise Power Riegel mit Schokokuss, die ich sorgfältig zwischen meinen ausgeleierten Unterhosen verstaute.

Wahrscheinlich ein weiteres Puzzleteil, warum ich immer noch Single bin.


Meine Freundin, die mir beim Packen hilft, kommentiert das Ganze so:

"Benimm dich ja anständig,“, sagt sie mit lauter Stimme, während sie mit einer dramatischen

Geste ihr blondiertes Haar zurückwirft und sich einen kräftigen Schluck Rotwein gönnt.

„Wenn du das versaust und ich mit einer Stange Kippen den Himalaja rauf muss, dann tue ich dir was!!!“


Meine Freundin Frida mag rosa. Noch lieber als rosa mag sie Glitzer.

Die Akademikerin, die ein Faible für pinke Einhörner hat, würde mit Löwengebrüll einmarschieren, mich an den

Haaren aus dem Meditationssaal zerren und mich 2 Sekunden später mit einer Jumbo Packung Desinfektionsmittel übergießen.


Nach einer Standpauke, die sich gewaschen hat und einem Beschwerdebrief an die Verantwortlichen, warum sie keinen Willkommensdrink erhalten hat, würde sie, ganz zum Leiden meines Portemonnaies, auf ein First Class Flugticket nach Hause bestehen. Denn noch lieber als rosa glitzernde Einhörner mag Frida Ordnung und Sauberkeit. Zwei Zustände, die hier in Indien ausgesprochen selten zu finden sind!


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Tag 8 im Ahram und all meine Reserven sind aufgebraucht.

Ich kann mich einfach nicht beherrschen!

“Warum dürfen wir keine Schokolade essen?”, fragt Nele, meine zweite Mitbewohnerin im Ashram Zimmer.

“"Na wegen den Nadies.

Zucker wirkt wie Klebstoff für die Energiekanäle”, ruft ihr Bella zu, während sie im Ausbildungsbuch blättert. “Ich bin ein Schokoladen-Junkie und hasse es!“

„Als ich in Brasilien lebte,“ ergänzt sie wehmütig, „habe ich mich quasi von dem Zeug ernährt.“


Vieles hätte ich der ehemaligen Profisambatänzerin zugetraut, aber bei Gott keine ernst zu nehmende Süßwaren Sucht ohne Chance auf Heilung. Für einen Kinderriegel würde sie glatt Buddha ohrfeigen, da bin ich mir sicher.


Nele, der Inbegriff einer Berliner Schnauze, entledigt sich rasch ihrer gelb-weißen Uniform und springt ins Bad. "Ich brauche eine Dusche bevor dieses Trauerspiel wieder von vorne losgeht“, ruft sie genervt. „Nach dieser Ausbildung“, ich sags euch Ladies, „werde ich nie, und ich meine nie wieder gelb tragen! Es steht mir so was von überhaupt nicht.“


Ich muss lachen. Sie hat recht. Gelb steht ihr nicht und mir auch nicht. Zwei weiße Leinenhosen und zwei gelbe Shirts, das ist die spärliche Ausbeute an Kleidung, die wir tragen dürfen. Vor Gott und der Yogamatte, so heißt es, sind wir alle gleich.


„Was steht heute Nachmittag noch auf dem Programm?”, schallt es aus dem offenen Türspalt des Badezimmers.

“Na, was schon? Meditation, Mantra Singen, noch mehr Meditation und Yoga!“


Zehn Minuten später ...

Swami: „Ich habe gehört, Sie haben ein Problem mit dem Ausbildungsprogramm?“, sagt er, während er schnellen Schrittes in seiner orangen Robe den Flur entlangläuft.


Ich: „Ja!“, antworte ich vorlaut und hechle ihm hinterher. „Da hast du recht. Du kommst aus Salzburg, nicht wahr? Ich darf doch du sagen?“


Swami: „Also lieber wär mir......“


Ich: „Wunderbar.“


Swami: „Ich bevorzuge es, der „Swami vom Himalaja“ genannt zu werden”, antwortet er mit starrem Blick, während er sein Tempo drosselt.



Ich: „Du kommst aus dem Himalaja? Dann hat sich ein Fehler auf eurer Website eingeschlichen. Dort steht nämlich das du aus dem Pinzgau kommst.“


Swami: „Ich möchte aber...“

.

Ich: „AHH, ich verstehe. Imagewechsel! Kein Problem, ich wäre auch ganz oft gerne jemand anderer“, entgegne ich ihm mit einem freundlichen Augenzwinkern. „Manchmal tue ich so als ob...“


Swami: „Ich lebe hier!“ ruft er ungehalten.


Ich: „ABER kommen tust du aus dem ........?“


Swami: Schweigen.

Ich: „Pinzg......u“, stottere ich leise vor mich hin. „Aber wer will denn hier schon kleinkariert sein, oder? Und Kühe gibt es hier und da. Nur sind sie in Salzburg halt nicht so heilig, gelle??


Swami: „PFFFFFFFFFFFFFF!“


Der mitgenommene Swami bleibt stehen, atmet schwer wie ein Nilpferd und schließt seine Augen.


Stille.


Kommt da noch was, denk ich mir verlegen? Ich wage es kaum zu blinzeln.

Angespannt beobachte ich, wie seine Nasenflügel vibrieren.

Plötzlich findet er seine Stimme wieder.


Swami: “Sie sollten jetzt in den Unterricht”, faucht er streng. „Denn Sie, Fräulein!“, ertönt es voller Entsetzen aus seinem Mund...


Ich: „Ja bitte?“


Swami: „Sie haben noch viel, sehr viel zu lernen!“


Ich: „Aber....“


Swami: „Auf Wiedersehen!!!“


Ich: „Aber… ich wollte doch nur…“


Swami: „SIE!! Unterricht! Jetzt! Ganz speziell Sie! Sie sollten keine weitere Sekunde aus der Heilgen Bhagavad Gita Vorlesung versäumen!“


Hat er gerade speziell gesagt? Wie schön, hat er mein Potenzial also doch erkannt...


Die orange Robe zieht weiter und lässt mich alleine auf dem Flur zurück.


Mein Swami hat die Nerven verloren, denk ich mir verblüfft. Beinahe beruhigend nach all dem OM eine echte menschliche Reaktion zu erleben. Selbst er lässt sich aus der Reserve locken. Warum er dem irdischen Leben wohl abgeschrieben hat? Jetzt tut er mir fast leid.


Es stimmt also : Man lernt, was man lehrt.

Wir sitzen alle im gleichen Boot. Mönch hin oder her.


Ich renne in den Seminarraum und parke meinen Hintern weit hinten, wo sich eine Handvoll weiterer lasterbehafteter Yogis niedergelassen haben.

Kurz überlege ich doch noch in die Betty Ford klink umzuziehen , denn noch lieber wie ein Schokoriegel wäre mir jetzt ein Eiskühler Drink!

“Heute, liebe Studenten, geht es um Disziplin und Durchhaltevermögen”, höre ich es von der Bühne schallen.

Natürlich! Disziplin, mein Steckenpferd, was auch sonst... der Tag geht wohl nie zu Ende ....


Ich träume mich aus dem Fenster und beobachte die wilden Affen, die auf den Bäumen herumspringen. Was die sich wohl von uns gelben Menschen denken mögen? Wahrscheinlich sehen sie 40 große Bananen, die Kopfstand machen.



Pause. Meine Lieblingszeit im Ashram


42 Yogis aus allen Nationen dieser Welt rennen gleichzeitig in die Essenshalle, wo heiße und gut gefüllte Töpfe für uns ausgehungerten Studenten bereitstehen.

Ja, der Weg der Erleuchtung beschert mir vor allem eins: Knieschmerzen.

All das Meditieren hinterlässt eben seine Spuren. Und Hunger, das beschert es mir auch!

Erkenntnis des Tages: Meditation ist anfangs ein großes schwarzes Loch aus Hunger und Schmerz.


Ich stürme auf das vegetarische, indische Essen zu, als ich von der blutjungen russischen Volontärin aufgehalten werde. “Warte ruft sie“, während ich direkt vor ihrer ausgestreckten Hand stehe. „Erst bilden wir den Kreis des Vertrauens. Dann beten und singen wir. Anschließend wird gegessen.“


Verarscht die mich jetzt?! ? !?! In den letzten drei Stunden haben wir nichts anderes getan. Ich habe Hunger!!! Wenn ich nicht gleich was zu essen bekomme, dann beiß ich ihren Arm an.

Beherrsche dich Birgit und sag jetzt nichts Blödes. Sei still und schaue so Yogisch wie möglich. “Natürlich! Wie konnte ich nur”, flüstere ich leise, während mein Blick auf das volle Buffet schweift.

“Bitte macht nur, ich warte so lange.”, flüstere ich verlegen, während sich immer mehr Studenten dem Kreis des Vertrauens anschließen und ich allein und ungeduldig auf der Stelle tappe. “Du auch, Birgit! Komm her”, fordert sie mich erneut auf.

OKAY! Jetzt tätschelt sie auch noch meine Hand. „Nimm deine Pfote weg!“, denk ich mir, sag‘s aber doch nicht.

“Danke, sehr liebenswürdig!“, antworte ich zügig, während ich rasch meine Hand zurückziehe. „Ich komme später noch mal, so hungrig bin ich gar nicht.“ Ich gehe inzwischen auf die Terrasse, um Luft zu schnappen, Affen jagen, Bananen stehlen ect....

“Birgit, warte!“, ruft sie mir zu. „Der Kreis ist heilsam. Komm, es ist noch nicht zu spät. Heile auch du dich!“

Nein. Tu das nicht. Ich kenne diesen Blick.

Der leicht zur Seite geneigte Kopf, das stille Nicken, der beteuernde Seufzer und der lange "Ausatmer" deines Gegenübers, der wie eine frische Brise deine Stirnfransen in eine neue horizontale Schieflage bringt.

Ohhh ja sie tut es.... Flashback in mein alltägliches Leben:


1) „Was? Du bist Single?“ Seufz, Kopf nicken, Nasenwind


„Ja, keine Sorge, ist nicht ansteckend und durchaus heilbar.“

2) „Wirklich?? Du schon wieder gekündigt?“ Seufz, Kopf nicken, Nasenwind ....

Ja, ich wollte schneller sein als die Firma sein...

3) „Was, du rauchst immer noch?” Seufz, Kopf nicken, Nasenwind....

„Juup! Wenn ich könnte, würde ich mir zwei gleichzeitig anzünden.“

Irgendwann muss Amnesty International diese herablassende Geste verbieten!

Mit wehenden Fahnen und wildem Geschrei werden wir gemeinsam gegen die “30 Grad gebeugten Köpfe” protestieren und somit auf ihre Opfer aufmerksam machen!

Vielleicht küren sie mich zum Aushängeschild dieser humanitären Kampagne. Passen würde es allemal!

Wie ein listiger Fuchs schleiche ich auf der Terrasse umher und lasse das Buffet nicht aus den Augen.

Im Kreis des Vertrauens jodeln sie immer noch das heilige OM. Wahrscheinlich beten sie gerade für meine kohlrabenschwarze Seele und dass mir doch noch ein Licht aufgehen möge.

Mir soll‘s recht sein, solange ich jetzt dann endlich was zum Essen bekomme!!

















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