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Der Lederhosen Blues

Damals in Indien

Zu sein, wie alle, ist nicht schwer,

sich selbst zu finden, dafür um so mehr!



Hand aufs Herz - du weißt es, ich weiß es und all die anderen wissen es auch.


In den meisten von uns schlummert ein kleiner Individualist, der schon lange darauf wartet, das Licht der Welt zu erblicken aber immer noch in den Wehen steckt.


Mein Kleiner klopfte schon lange an, er wollte raus denn er fühlte sich betrogen.

( Vorsicht Metapher! Nicht,dass ihr mir hier noch auf unanständige Gedanken kommt ;-)

Nach all den Jahren höchster Anstrengung, zu sein, wie all die andren, kam ich zu dem Entschluss, dass dies nicht passieren wird.

Ein Dreieck passt schließlich auch nicht in ein rundes Loch.


Nach unzähligen Quetsch- und Schürfwunden, die nicht ausblieben, entschied ich mich, meinen verschämten Racker nun doch noch zur Welt zu bringen.

Aber ich brauchte Hilfe, denn Komplikationen waren absehbar.


Meine Hebamme hieß, Yoga Ashram India. ( Natürlich wieder metaphorisch gesehen.)



In all den Jahren, um meine Misere zu veranschaulichen, fühlte ich mich, als trüge ich eine „Tiroler Tracht“.


Das festliche Outfit in all seinen Variationen, ist bei speziellen Anlässen ein gerngesehener Dresscode.

Mit den herzerwärmenden Blusen und Schürzen kann Frau hierzulande nichts falsch machen.

Die dazu passenden steifen Lederhosen und wolligen Stutzen, die neben dem feschen Dirndl aufmarschieren, komplementieren die ländliche Idylle und lassen die alpinen Herzen nachweißbar höherschlagen.

Eine Hochzeit ohne Tracht wäre wie Sex and the city ohne Pumps. Das gibt es ja auch nicht…

Aber Geschmäcker sind nun mal verschieden, Tradition hin oder her.

Die Modebewussten unter euch werden mir recht geben.

Nicht jeder kann alles tragen.

Und ich kann kein Dirndl tragen. Es passt mir nicht. Ganz egal, wie lange ich daran zupfe.


Nun habe ich drei Möglichkeiten:


A) Es passend zu machen

B) Es nicht passend zu machen

C) Oder ein anderes Kleid zu tragen


Ich entschied mich für Variante C. Da drückt der Schuh auch mal hier und da, aber wenigstens lauf ich auf meinen Sohlen.


Erkenntnis des Tages: Ein Kostüm lässt sich nicht länger als ein paar Stunden tragen, dann fängt es an wehzutun.


Und ich als ehmalige professionelle Hüpfdohle, die als Arielle, die Meerjungfrau - (Karriere Tiefpunkt!) - den Atlantik überquert hat, wird wohl wissen, wovon sie redet, nicht wahr?!


Die Geburtsstunde


Halbzeit im Ashram:

Ich bin grantig, aufgewühlt, verärgert und ich will nur noch eins: laut schreien!!

Mittagspause:


Ich laufe die unzähligen Ganges Stufen, die an den reißenden Fluss führen, rauf und runter. Die Mittagssonne brennt vom Himmel.

Es ist Mitte Oktober, Spätfrühling in Indien.


Ich schwitze und hechle mich von Stufe zu Stufe.

Eine ist steiler, die andere wieder flacher, abgebröckelt oder gar nicht mehr vorhanden.

Es stellt sich kein Rhythmus ein, schon wieder.


Alles an angestautem Ärger und Frust kommt jetzt an die Oberfläche.

Das Korsett des Lebens war zu eng geschnürt, jetzt rächt es sich.

10 Min und ein ampelroter Kopf später:


Erschöpft lasse ich mich auf einer Anhöhe nieder. Ich strecke mich, hole tief Luft, schließe meine Augen und beginne zu schreien.


Ich schreie, was das Zeug hält. Der Fluss ist lauter als ich, niemand kann mich hören. Ich kann mich nicht hören.

Der Ganges und ich rebellieren gemeinsam.


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Auf dem Weg zurück entdeckte ich Micky, meinen australischen Mitschüler, der gerade seiner

Karma Yoga Arbeit nachgeht. Er füttert Gänse.


„Hat es geholfen?“, fragt er monoton, als ich schwer schnaufend die letzte Gangesstufe erklimme.


„Micky! Hast du mich etwa gesehen?“


„OOH ja, das hab ich. Und du siehst beschissen aus!“


„Lass mich in Ruhe“, rufe ich schwer atmend, während ich mich aufrichte. „Ich habe seit Tagen nicht geschlafen und auch sonst hab ich die Nase gestrichen voll! Ihr könnt mich alle mal gernhaben!“


"Tun wir auch“, antwortet er prompt.


„Natürlich!“, antworte ich. „Mein sonniges Gemüt kommt immer gut an“.


Micky grinst.


„Und überhaupt“, fahre ich fort, „seit wann darf ein Yogi so was Teuflisches wie scheiße sagen? Das schickt sich doch nicht“ ...


„Du bist ganz schön arrogant, weißt du das?“, sagt er unbekümmert, während er weiter sein Schnattervieh füttert.


„Jupp! Das habe ich schon mal gehört“.


Er grinst erneut.


Auch ich schmunzle das erste Mal an diesem Tag.


Weißt du, fährt er sanftmütig fort, du bist nicht die Einzige, die mit sich zu kämpfen hat. Ich kann dir versichern, du bist hier in guter Gesellschaft“.


„Ach ja?“, antworte ich überrascht? „Hast du etwa auch kein Herz für Trachten?


„Nein Hab ich nicht!“, fährt er rasch fort. Und das will ich auch nicht, du aber schon und das ist dein Problem.“


Ich: „Aber ich…“


Micky: „Du bist ein Papagei, der zu viel schnattert und kein Vogel, der die Sopranstimme im Kirchenchor trällert.“

Ich: „Sehr witzig. Geflügel hin oder her, mir reicht es! Ich gehe jetzt und packe. Ich breche ab.“


Micky: „Willst du nachhause fliegen?“


Ich: „Neeeeeiiiinnnnnnn“.


Micky: „Was wirst du tun?“


Ich: „Ich werde reisen.“


Micky: „Du reist gerade.“


Ich: „Dann muss ich eben weiterreisen!“


Micky: „ Oder du akzeptierst ganz einfach wer du bist, dann ist es bald egal, in welcher Tracht die andren tanzen!


Ich: „Den Tango tanzt man aber nicht allein?!“


Micky: „Den Tango tanzt man auch nicht in der Tracht!“


Ich: „Touché! Da muss ich dir recht geben...


Wir lächeln beide, während uns die hungrigen Gänse umzingeln.


Micky:“ Zieh nicht alleine durch Asien. Indien ist ein heißes Pflaster“. Fährt er gewohnt lässig fort.


Ich: „Wie heiß?“


Micky: „Ich strampelte zwei Jahre auf dem Drahtesel durch Indien. Nonstop. Und ich sage dir, es ist heiß!“


Ich: „Na und, ich mag heiß.“


Micky: „Das kann ich mir vorstellen“.


Crrrraaaazzzyyyyy, sage ich mit hoher Stimme, während mein Zeigefinger hypnotisierend meine rechte Schläfe umkreist. Durch Indien auf dem Fahrrad. Wie sehr hast du dich denn gehasst? Stopp, nichts sagen, ich weiß: Du bist ein Kakadu!“


„Bleib!“, sagt er mit fester Stimme . Du bist hier in guter Gesellschaft, reisen kannst du später noch.“


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Später entdecke ich Micky, der vorne in der ersten Reihe sitzt.

Ich hab zu schnell geurteilt. Schon wieder!

Die fußfreie Reihe und ihre Anhänger haben doch ihr gutes. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel.


Er dreht sich um, lächelt und zwinkert mir zu.

„Macht mich der gerade an?”, denk ich mir für den Bruchteil einer Sekunde, während ich mich nach allen Seiten vergewissere, dass sein zwinkerndes Auge auch wirklich mir gilt. Sicher ist sicher.


Verlegen lächle ich zurück, als ich begreife, dass er sich nach meinem Wohlbefinden erkundet. Seine liebgemeinte Geste hat mit Sex so viel zu tun wie Tiefkühlgemüse.

Das macht dich ja auch nicht an, oder?


Erkenntnis des Monats: Ich kann zwar alleine schlecht Tango tanzen, aber das heisst noch lange nicht, dass ich Schuhplatteln muss.



So aber Stopp jetzt und konzentriere dich!


Ist alles super hier?!

Nein!

Aber schlecht eben auch nicht.



Dieses Mal bin ich gekommen, um zu bleiben. Das zieh ich jetzt durch.

2 Wochen noch, und dann?!?


Dann, schau ich mal weiter...











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